Gerald Kaufmann | Pag und Bora II - Gerald Kaufmann

Pag und Bora II

Tusche und Acryl auf Leinwand 45,5×60,5
Gerald Kaufmann, 2010

„Von dem wichtigstem Einfluss auf die Malerei? In der Malerei eines Malers sind so viele Beeinflussungen, da wirst nie fertig, die alle aufzuzählen. Da hast die Farben Rot, Gelb, Blau, die andern Farben auch noch, die Komplementären. Das macht in Summe schon viel aus. Dazu kommt das Papier die Leinwand, die Freundin, die Kinder. Da hast den Michelangelo, den Raphael, den Leonardo, Manet, Monet, Picasso, Renoir, Klee. Das sind ja nur ein paar, aber alles Einfluss.
Aber ich sag, und sag jetzt nicht, ich hab Unrecht, den größten Einfluss auf die Malerei hat, und da wirst jetzt nicht gleich draufkommen, denn das sagt dir sonst keiner nämlich, hat das Wetter!
Frag bei einem Bild immer erst nach Einem: Wann wurde es gemalt und wie war das Wetter? Das Wetter hat den größten Einfluss auf die Malerei! Da schaust, aber so ist es. Und wenn’st genau nachdenken anfangst über das Wetter und die Kunst, dann bist gleich in der puren Esoterik, ja mehr noch, ganz im Okkulten! Denn was ist Verborgener als wie das Wetter, wie’s werden wird. Keiner weiß genau wie’s morgen ist, keiner wie in einer Woche. Nur Prognosen und Prognostiker. Was früher die Prediger, sind heute die Prognostiker des Wetters. Gibt kaum jemand, der nicht sogleich fragt: Na, wie ist’s, das Wetter?
Es kommt noch dicker! Vom Wetter und der Esoterik ist’s wiederum – und da zieht’s dir jetzt echt die Schuh aus – nur einen hauchzart weg vom Religiösen. Denn den ärgsten Glauben, den musst einfach beim Wetter haben.
Gell da staunst, da staunst, aber das Wetter ist voller Esoterik und okkult. Kennst einen, der wirklich weiß, wie’s morgen wird? Ans Wetter kannst nur glauben, wie an die Religion. Glaubst es noch immer nicht? Folgendes Beispiel: Sagen wir, du gehst auf einen Fünftausender, einen Berg mein ich damit du Depp! Meinetwegen gehst halt auf einen Siebentausender, kann ja auch sein und du glaubst nicht an schönes Wetter. Du glaubst rein gar nichts und die Prognostiker sind dir auch wurscht. Stell dir das vor, gehst auf den Berg, den Kilimandscharo, der ist schön in der Mitten zwischen dem Fünftausender und dem Siebentausender. Gehst einfach rauf, glaubst an rein gar nichts. Da schlägt das Wetter um, hast auch nicht glaubt, obwohl’st nichts glaubst, ha, oder? Ist dann aber so.
Es schneit und hagelt und kalt ist es, gefrieren tut alles. Sturm und Biwak und das Essen geht aus, weil Tage stürmt’s so dahin,und Gänsehaut hast überall, alles frisch geeist. Wie Heidelbeeren so blau bist schon überall. Da kommt’s, von hinten ins Gehirn und dem bist jetzt voll ausgeliefert. Nämlich der Glaube, denn du vorher nicht gehabt hast, ganz ominös und in zartschmelzender Esoterik eingebettet: Mir wird geholfen werden!, raunt es dir durch die Ganglien. Im Schneesturm hörst es weiter Raunen: Ich glaub ganz fest, dass Wetter wird schön werden! Und weiter wie im Orakel, die werden mich schon finden! Na, das hättest du dir nicht gedacht, dazumal, dass’d so spinnert werden wirst. Oder: Der Berner Sennenhund, der wird mich finden oder die Lassie oder der Daktari oder überhaupt der Flipper. Ich mein, wenn’st soweit bist, wenn’st das denkst, dass der Flipper im Schnee dahergeritten kommt und dich rettet, ein Delfin, da bist eh schon gaga. Da bist ganz verlassen! Nur nicht vom Hagel, Sturm und Schneegestöber, die bleiben dir. Ich hör noch nicht auf mit meiner G’schicht. Jetzt kommt’s nämlich noch dicker. Vergiss nicht, Gänsehaut, blau wie Heidelbeeren, das Blut gefriert dir langsam! Und das geht und geht und geht so schrecklich weiter, mit jedem Schneefunzerl wirst steifer wie ein Eiszapfen. Es Raunen hört auf, die Hoffnung g’friert ein, nimmer viel kannst sagen, nur eins geht plötzlich, zaghaft: Hilf! Hilf mir doch! So hilft mir keiner! Klein wirst wie ein Schneefunzerl, aber die Inbrunst steigt. Hilft mir! Bitte, bitte hilft mir! Bitte, bitte, bitte lieber Gott hilf! Hast das gehört, glaubst mir das? Bitte lieber Gott hilf! Leuchtet das ein oder leuchtet das ein! Hast das g’laubt, so weit zu kommen? Jetzt ist’s über die Lippen. Glaub mir, das ist so. Gell da staunst!
Das Wetter hat schon viele Ungläubige zu Gläubigen gemacht. Das ist der größte Missionar. Und jetzt wird’s arg. Da hast den größten Einfluss auf die Kunst im Wetter und hast vom Wetter gleich die Esoterik und den Glauben dazu und dann bist schon beim lieben Gott. Das Wetter, die liebe Kunst und der liebe Gott: Das ist noch nie genug beschrieben geworden. Das ist genau so ominös wie das mit der Freiheit und dem Tod. Das ist auch so was.“ – Gerald Kaufmann, Von den wichtigsten Einflüssen auf die Malerei
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